Live Review: 2010-03-06, Berlin

Und jetzt einer von Robert: Maximilian Hecker am 6.3.2010 auf der Torstraße Berlin

back Ausgerechnet diesen kalten Samstagabend im frühen März hat sich Maximilian Hecker ausgesucht, um sein neues Album mit einem Umsonst-und-Draußen-Konzert zu bewerben. Im Radio Eins-Interview am Vortag hatte er versprochen, Glühwein zu kochen. Der steht tatsächlich bereit und findet bei fortschreitender Konzertzeit immer regeren Zuspruch bei den gut 50 Zuhörern. Alles vom mitgebrachten Kleinkind über hippe, mehr oder weniger jugendliche Fans bis zum zufällig passierenden Rentnerpaar lauscht gebannt. Hecker selbst entspannt sich lieber mit Becks Gold. Er hat aber auch ein Heizöfchen neben seinem Yamaha-Keyboard stehen, um sich die Füße zu wärmen.

Der Berliner Künstler war während der Entstehung seines letzten Albums 2008 und einer darauffolgenden Asientour in eine persönliche Krise geraten. Seine Dämonen bekämpfte er damit, dass er wieder zu seinem Ursprung zurückging: er spielte als Straßenmusiker und schrieb hier auch die Songs zu seinem Ende März erscheinenden neuen Album.

Auf seine Krisenzeit spielte auch diese Prä-Record-Release-Promoaktion wie die ganze Vermarktung des Albums an. Und anstatt brav seine neuen Songs zum besten zu geben und sie mit ein paar alten Favoriten aus seinem Repertoire zu garnieren, singt Hecker zumeist seine Lieblingslieder (und auch Straßenmusik-Klassiker) von Bob Dylan („Und jetzt einer von Robert!“), Leonard Cohen und jüngeren Singer-Songwritern wie Fionn Regan. Das macht ihm offensichtlich Spaß, wie er auch mehrfach verbal anmerkt.

Überhaupt sei er entspannter, wenn er machen könne, was er wolle. Wenn Leute Eintritt zahlten, müsse er sich Konventionen anpassen. Er sollte also in Zukunft nur noch Umsonst-Konzerte geben, sinniert Hecker weiter. Seine Persona steht im völligen Kontrast zu seinen Songs - schmerzlich-romatische Lieder am Klavier von einem leidenden jungen Mann. In den Zwischenansage - und auch in Interviews - geriert er sich dagegen als ein Enfant Terrible, eine Art Jonathan Meese der Popmusik, ohne aber garstig dabei zu sein. Als er seine Geistesverwandschaft zu den Kassierern - einer deutschen Punkcombo, die sich über ordinäre Texte profilierte - bekundet, und im Zitat von Pisse und Scheiße spricht, entschuldigt er sich sofort bei den anwesenden Kindern. Die sind spätestens da vollends verwirrt.

Weiter erzählt er, dass er neulich Backstage seinen Slip ausgezogen habe und macht eine Frau nach, die Angesichts dieser Tatsache furchtbar gequieckt habe. Näheres über seine Beweggründe, die Hose auszuziehen, berichtet er nicht, und ob es vielleicht einfach der Anblick war, der die Frau in Angst und Schrecken versetzt hat, bleibt das Geheimnis von Heckers Unterhose, die er diesmal anläßt. „Ja, so ist das Rockstarleben“, sagt er stattdessen, oder: „Maximilian Hecker wird jetzt endgültig wahnsinnig, und ihr seid live dabei.“ Es ist nie ganz klar, wie ernst das nicht vielleicht doch gemeint ist.

Dem Derben, Witzigen und Fahrigen zwischen den Songs setzt er eine hohe Konzentration und Ernsthaftigkeit beim Vortrag entgegen. Er hadert damit, dass seine Stimme „nicht ganz im Raum“ sei und lässt sich auch von einer asiatischen Dame nicht irritieren, die ihm ihr rosa Handy nahezu ins Gesicht drückt, um ihn zu filmen. Aber auch eine Proficrew ist dabei, und mit Sicherheit gibt es bald Footage von diesem Konzert in einem Hecker-Video.

Die neuen Songs klingen vom ersten Eindruck zunächst nicht anders als die alten, was aber nichts Schlimmes ist: es sind einfach zeitlos schöne, romantische Balladen mit Klavierbegleitung. Wahrscheinlich klingt das Album etwas schraddeliger als gewohnt, denn statt im Studio hat er die Songs in seiner Wohnung aufgenommen. Auch auf dem Cover spielt der Musiker mit dem Hobo-Look: ein auf abgewetzt getrimmtes schwarz-weiß Foto, auf dem er mit schmierigen Haaren, Vollbart und scheinbar entzündetem Auge zu sehen ist.

Beim Konzert wirkt er jedoch durchaus gepflegt, trägt einen feschen Dreitagebart und riecht zumindest aus zwei Metern Abstand nicht streng. Ich muss jedoch trotzdem das Weite suchen, als Hecker dann im Gespräch mit dem Ladenbesitzer, vor dessen Etablissement das Ganze stattfindet - ob ernst oder nicht - äußert, er würde noch drei Stunden weiterspielen. Mir wird schlagartig bewusst, wie kalt mir ist. Bei lauerem Wetter hätte ich diese unterhaltsame kleine Straßenmusikepisode mit Hecker gern länger genossen.