Maximilian Hecker: Ein Romantiker im Verwesungsmodus

„Verwesungsmodus“ nennt der einstige Indiepop-Romantiker Maximilian Hecker seinen derzeitigen Zustand, der bar jeden Glamours ist. Das wallende Haupthaar versteckt er jetzt unter einer Wollmütze, die weichen Gesichtszüge unter einem Vollbart. Und er bricht die Konventionen dessen, was man unter Popkonzert versteht. Statt mit Band agiert er solo am Flügel, statt eines schmucken Bühnenanzugs trägt er Trainingshosen. Seine erstaunlichste Marotte ist allerdings, dass er schon eine Viertelstunde vor Einlass zu spielen beginnt. Da können selbst die eifrigsten seiner vorrangig weiblichen Fans nicht pünktlich sein.

Was bei Heckers Auftritt im WUK nicht viel ausmachte. Zügig wurde man vom wehmütigen Sog der Musik davongetragen, schwebte in zauberhaften Melodien der Erdenschwere davon. Hecker mag in einer persönlichen Krise stecken, musikalisch blüht er auf. Sein neues Album, „I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son“, lockt in eine Sphäre ekstatischer Empfindsamkeit, die man sonst nur von Künstlern wie Scott Matthews und Antony Hegarty kennt.

Begegnung mit einer Prostituierten

Verändert wurde seine Kunst durch die (rein platonische) Begegnung mit einer Prostituierten in Tokio, sagt er – und schildert es in aller schwelgerischen Schwermut im Song „Nana“: „So don't lead me in your golden eye, it's only waiting in sorrow, and all I can do here is longing.“ Seine Sehnsucht will nicht überwunden werden. Sie ist das Ziel, die Erfüllung seiner Bemühungen, wie er der „Presse“ erklärte: „Das ist keine Sehnsucht nach einer Beziehung mit einer Frau, keine Sehnsucht nach Ruhm und Reichtum, sondern nach einer gewissen Wesenslosigkeit. Durch die Musik kann es passieren, dass man einen kurzen Blick auf die Ewigkeit hat. Da ist dann auch die Todesangst weg. Das ist kein Gefühl der Euphorie, des Stolzes oder des Glücks: Es ist ein Moment der Klarheit.“

So blendete Hecker über weite Strecken das Publikum aus, versuchte sich in musikalischer Meditation. Dass er das intensive „The Greatest Love Of All“ gleich zweimal spielte, verzieh man ihm gerne. Andere Highlights: das versonnene „Holy Dungeon“, das wehe „Lonely In Gold“. Da gewährte Hecker Einblicke, die fast schon zu privat waren.